Samstag, 27. Dezember 2014

Jeder Stein.

Meine Augen sind schwer. Ich kann sie nicht ganz öffnen, aber ich höre eine Stimme. Durch meinen verschlafenen Blick nehme ich jemanden war. Es ist meine Schwiegermutter, oder? Ich höre die Stimme immer wieder - sie steht neben meinem Freund und versucht ihn zu wecken. Es ist nicht die Stimme meiner Schwiegermutter und doch sieht sie so aus. Als sie merkt das wir nicht wach werden geht sie aus dem Zimmer. Ich schlafe erneut ein. 
Ein Geräusch. Mein Handy? Das meines Freundes? Ich versuche mich hoch zu rappeln, habe aber den Abend vorher was getrunken und bin etwas benommen. Ich greife nach dem Handy das in der Dunkelheit leuchtet. Es ist seins. Seine Mutter ruft an. Wie viel Uhr haben wir? Ich bekomme ihn nicht wach und will auch nicht dran gehen. Bei dem Versuch es zurück zu legen stoße ich eine offene Flasche um. Es scheppert und ein Fluss ergießt sich über den Boden. Ich fluche immer noch benommen - da geht die Tür auf. 
Es ist meine Schwiegermutter. Sie sieht gar nicht gut aus. Ich lasse den Fluss ein Fluss sein und versuche ihre Worte irgendwie einzuordnen. 

Es ist etwas passiert. Ich frage nach. 
... ist gestorben. Wer? 
Sein Vater. Ihr Mann. Mein Schwiegervater. 

Ich stolpere zu ihr. Bin fassungslos. Sofort dreht sich alles. Ich muss mich erst mal setzen. 
Nun versuchen wir weinend meinen Freund zu wecken, aber wie immer wenn wir etwas getrunken haben stellt sich dies als unmöglich heraus. Sie geht wieder runter. Ich rüttel ihn wach. Er schimpft weil ich so unsanft bin und setzt sich hin, meckert mich an. Ich weine. Er fährt mich an wieso. 
Ich sage, mir würde es nicht zustehen ihm das zu sagen. 
Seine Tante kommt, sie war es die uns zuerst versucht hatte zu wecken, jetzt erst erkenne ich sie und ihre Stimme wieder. Sie nimmt ihn in den Arm und sagt ihm was passiert ist. 
Mein Schwiegervater war um die letzte Rechnung in seiner Stammkneipe zu bezahlen, am Vorabend dort gewesen. Gegen 1 Uhr hatte er sich auf den Weg nach Hause gemacht. Er war vermutlich auf Grund des Wechsels zwischen Warm und Kalt umgekippt. Herzversagen. Um halb 2 wurde er von zwei Männern gefunden. Um halb 4 hatte die Polizei vor der Tür gestanden. Es war jetzt halb 5. 

In dieser Nacht lernte ich viele Familienmitglieder kennen, denen ich noch nicht vorgestellt worden war. Das Haus bebte und das obwohl das Dorf doch noch so still um diese Uhrzeit dar lag. Wir weinten. 
In meinem Kopf befand sich die ganze Zeit ein Bild des Vorabends, ehe mein Schwiegervater losgezogen war. Wir hatten am späten Nachmittag Kaffee getrunken und Plätzchen gegessen. Ich mochte das nie besonders und hatte zuerst nicht gewollte, war dann aber doch mit ins Wohnzimmer gekommen. Er hatte mir gegenüber gesessen und erzählte stolz vom Bau dieses Hauses und wie er jeden Stein in der Hand gehabt hatte, manchmal sogar 2-3 mal. Dieser Satz brachte mein Herz nun zum Beben. Er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. 

Seit dem ist eine Woche vergangen. Es ist der Grund warum ich nichts schreiben konnte. Weihnachten mit der Familie fiel für mich aus. Es war nicht die Stimmung dazu. Denn es brach uns allen das Herz. 63 Jahre sind kein alter um zu sterben. Natürlich bin ich mir bewusst, das dies besser ist als irgendwann im Bett zu liegen... Jahre lang. Er hätte es so bevorzugt. 
Zu seiner Beerdigung bekam er alles so wie er sich gewünscht hatte. Ich war nie ein großer Kirchengänger gewesen und als absolut 'nicht-christ' habe ich mich leicht verloren gefühlt. Mein Bewusstsein das ich nicht für Jesus, Maria oder sonst wen dort saß sondern für meinen Schwiegervater ließ mich die Stunde überstehen in der sich dieses Unwohlsein in meinem Körper ausgebreitet hatte. 

G. W. hinterlässt seine Frau und zwei Söhne. Der eine Anfang, der andere Ende 20. 
Außerdem zwei Schwestern. Die eine jünger, die andere älter als er und an MS erkrankt. 

Es sind Tage der Stille die wir verbringen - doch in unseren Köpfen schreit es laut
Wir vermissen dich... 

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